Wie konnte es so weit kommen? Zum Gedenken an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938

Ein Kommentar von Fabian Köster-Schmücker, Vorsitzender SPD-OV Euskirchen

Vor 80 Jahren markierte die Reichspogromnacht den Übergang der Diskriminierung der Juden im Deutschen Reich seit 1933, hin zur systematischen Verfolgung. Es kam zu organisierten Angriffen auf jüdische Einrichtungen wie Synagogen, Friedhöfe und Geschäfte. Hunderte wurden ermordet. Kurze Zeit später führte diese Entwicklung zum Holocaust – der industriellen Ermordung von Millionen Juden in ganz Europa.

Wie konnte es so weit kommen? Diese Frage haben sich wohl die meisten Menschen schon einmal gestellt. Dabei fällt es schwer zu begreifen, wie es zu diesem kolossalen Verbrechen kommen konnte. Was den Boden dafür bereiten konnte, das Deutschland jemanden wie Hitler an die Macht wählte.

Zu meiner Schulzeit hörte ich des Öfteren den Satz: „Och nee, schon wieder Hitler?“ So abwegig war es, dass wir in Deutschland jemals wieder solche Umstände haben würden. So unzeitgemäß in unserer liberalen, toleranten und aufgeklärten Gesellschaft erschien uns Jugendlichen die Thematik damals. Die Zeiten haben sich seitdem dramatisch verschlechtert. Eine Partei, wenngleich sie auch nur eine kleine Minderheit ist, tritt nach den Ereignissen von 1933 bis 1945 wieder offen fremdenfeindlich und rassistisch auf und sitzt sogar im Deutschen Bundestag. Eine Partei, deren Funktionäre das Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnen; den Holocaust als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte relativieren und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern.

Auch deshalb ist es heute umso wichtiger, zu begreifen, dass Freiheit und Demokratie, Toleranz und Mitmenschlichkeit nichts Selbstverständliches sind. Der ideologische Boden für die Naziherrschaft wurde viel früher bereitet. Es begann schleichend: zuerst mit der Suche nach Sündenböcken, dann mit der Verbrennung von Büchern, mit Propaganda, mit der Gewalt gegen Sachen, dann gegen Menschen und endete schließlich in millionenfachem Mord.

Auch heute erleben wir eine Verrohung der Sprache. Fakenews und Verdrehungen der Wirklichkeit sind an der Tagesordnung. Wir erleben Fremdenfeindlichkeit und rassistisch motivierte Gewalt gegen Menschen. Moralische und rechtliche Grenzen werden missachtet.

Der Gedenktag an die Pogrome von 1938 bietet Anlass sich zu erinnern, zu reflektieren und sich die eigene historische Verantwortung vor Augen zu führen. Wie konnte es soweit kommen? Eine einfache Antwort darauf wird es wohl nicht geben. Doch diese Frage muss gerade heute als Imperativ formuliert werden: Wir dürfen es nie wieder so weit kommen lassen!